Aktuelle Mitteilungen des Landesverbandes der Binnenfischer Mecklenburg-Vorpommern e.V.

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Ostseefischerei steht vor Strukturwandel

– Minister verständigen sich über Fangmöglichkeiten in der Ostsee für 2022 –

– Drastische Reduzierungen bei Dorsch und Hering, Erhöhung bei Scholle und Sprotte –

Nach langen, schwierigen Verhandlungen einigten sich die Fischereiminister der EU heute am frühen Nachmittag auf die Fangmöglichkeiten für die Ostseefischerei im nächsten Jahr. Wie zu erwarten war, wird es für die deutschen Küstenfischer an der Ostsee im nächsten Jahr weitere harte Einschnitte geben. Die Quote für den westlichen Hering wird um weitere 50 % reduziert und die Quote für die den westlichen Dorsch um 88 %. Westlicher Hering und westlicher Dorsch sind die beiden wichtigsten Fischarten für die deutsche Küstenfischerei in der Ostsee, die sogenannten Brotfische.

Die deutsche Fischereiministerin Julia Klöckner hatte sich bis zuletzt für die Belange der deutschen Ostseefischer eingesetzt, konnte sich am Ende mit ihrer Position aber leider nicht durchsetzen. Die Ministerin blieb aber bis zuletzt konsequent. Da die nun beschlossenen drastischen Kürzungen beim westlichen Hering am Ende nur den norwegischen und schwedischen Fischern zugutekommen, wenn die sehr einseitige Bestandsbewirtschaftung der letzten Jahre fortgesetzt wird, stimmte Deutschland den Quotenbeschlüssen insgesamt nicht zu.

Beim Hering in der westlichen Ostsee sind die Quoten seit 2017 bereits vorher um 94 % gekürzt worden. Der Hering hat allerdings ein Verbreitungsgebiet, das weit über die Grenzen der Ostsee hinausgeht. So werden die Heringe dieses Bestandes auch im Kattegat/Skagerrak befischt. In diesem Managementgebiet sind die Quoten im selben Zeitraum jedoch nur um 57 % gesenkt worden. Deutschland hatte deshalb beim Ministerrat darauf gedrängt, die Entscheidung über die Fangmöglichkeiten für diesen Bestand erst im Dezemberrat zu treffen, wo dann die Fangmengen für das Managementgebiet außerhalb der Ostsee festgelegt werden. Leider konnte man sich gegenüber der Kommission und einigen anderen Mitgliedsstaaten damit nicht durchsetzen. Da Deutschland in der westlichen Ostsee der größte Quotenträger beim westlichen Hering ist, bleibt zu befürchten, dass die deutschen Küstenfischer den Preis für die Überfischung anderer Staaten zahlen. Die nun festgelegte Quote ist eine reine Beifangquote. Nur der kleinen handwerklichen Küstenfischerei mit Fahrzeugen unter zwölf Metern Länge mit passiven Fanggeräten ist im nächsten Jahr weiterhin gestattet, den Hering gezielt zu befischen.

Beim westlichen Dorsch ist die Situation ebenfalls seit vielen Jahren angespannt. Hier verändern sich die Umweltbedingungen offensichtlich so schnell, dass die Wissenschaft mit einer realistischen Bestandsbewertung gar nicht mehr hinterherkommt. Da das bisherige Bestandsmodell nach Ansicht der Wissenschaftler keine plausiblen Ergebnisse mehr lieferte, wurde in diesem Jahr ein Interbenchmark durchgeführt und die wissenschaftliche Fangempfehlung kam mit mehr als drei Monaten Verspätung. Die Fischereiminister beschlossen nun, die Fangmengen im Vergleich zum Vorjahr um 88 % zu kürzen. Er darf jedoch nicht gezielt befischt werden, sondern diese Menge steht ausschließlich als Beifangquote zur Verfügung. Auch wenn die Aussichten nicht gut sind, so sind die Meldungen in verschiedenen Medien über das biologische Aussterben des Dorsches in der westlichen Ostsee substanzlos. Es gibt keine wissenschaftliche Studie, die diese Aussagen bestätigt.

Einziger kleiner Lichtblick aus deutscher Sicht bleibt die Erhöhung der Fangmengen für Scholle und Sprotte. Obwohl der ICES in seiner Empfehlung eine Quotenerhöhung befürwortet hatte, riet die Europäische Kommission zur Vorsicht und schlug vor, die erlaubte Gesamtfangmenge unverändert zu lassen. Die Minister wichen von diesem Ansatz ab und beschlossen, die Quoten um 25 % (Scholle) bzw. 13 % (Sprotte) anzuheben. Diese Entscheidung wird von der deutschen Fischerei ausdrücklich begrüßt, da sie einen Ausgleich zwischen den sozioökonomischen Bedürfnissen der Fischer und der langfristigen Nachhaltigkeit dieser Fischbestände schafft. Wäre man der wissenschaftlichen Empfehlung gefolgt, hätte die Erhöhung bei der Scholle noch deutlich größer ausfallen können. Der ICES hatte hier eine Erhöhung von 53 % empfohlen. Zur Vermeidung von Beifängen von Dorsch und Hering stehen selektive Schleppnetze zur Verfügung, welche die Auswirkungen auf diese beiden Arten abmildern können.

Trotz dieses kleinen Lichtblickes steht die Ostseefischerei wohl vor einem Strukturwandel. Mit den heute verabschiedeten Quoten wird es nicht möglich sein, alle Ostseebetriebe über das nächste Jahr zu bringen. Ohne genügend Fisch kann die Infrastruktur der Berufsfischerei nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Bereits im letzten Jahr sind zwei Genossenschaften in Mecklenburg-Vorpommern geschlossen worden. Es ist wahrscheinlich, dass weitere folgen werden.

In der Pflicht ist allerdings auch die Wissenschaft, die ihre Hausaufgaben machen muss. Nach wie vor werden viele Zusammenhänge nicht verstanden. Wissenschaftliche Bestandsmodelle müssen aufgrund der sich immer schneller ändernden Bedingungen andauernd neu angepasst werden. Das macht Vorhersagen natürlich schwierig. Zudem ist immer noch nicht klar, ob bei einigen Fischbeständen mittelfristig eine Erholung möglich ist, oder ob in der Ostsee momentan ein Regime-Shift stattfindet, der die Ertragsfähigkeit des gesamten Ökosystems senkt. In diesem Falle helfen kurzfristige Maßnahmen wenig, sondern es müssen langfristige Konzepte erarbeitet werden, um die derzeit noch vorhandenen Fangkapazitäten an die zukünftigen Fangmöglichkeiten anzupassen.

In dieser Situation begrüßt die deutsche Ostseefischerei das Angebot der Bundesregierung, zu einem runden Tisch einzuladen und nach Lösungen für diese schwierige Situation zu suchen, um den verbleibenden Ostseefischern perspektivisch ihre Existenzgrundlage zu sichern. Dafür ist es unter anderem notwendig, dass auch 2022 die zeitweise Stilllegung von Fischereifahrzeuge finanziell gefördert wird. Sollte die Ertragsfähigkeit des Ökosystems allerdings langfristig sinken, muss ebenfalls über wirksame Abwrackmaßnahmen nachgedacht werden, die den ausstiegswilligen Fischern ein sozialverträgliches Ausscheiden aus der Fischerei ermöglichen. 

Kontakt: Claus Ubl 0176 – 832 10 60

PM VDKK, Hamburg, 12.10.2021