Aktuelle Mitteilungen des Landesverbandes der Binnenfischer Mecklenburg-Vorpommern e.V.

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Der Fischer holt das Netz ein

Er war sein Leben lang Fischer und Kapitän - nun wird Norbert Kahlfuss 80 und zieht sich aus der Arbeit zurück

STRALSUND Es gibt wohl keinen bekannteren Fischer in Mecklenburg-Vorpommer als Norbert Kahlfuss. Er hat die Geschicke der Fischerei an der Ostsee mitbestimmt - als Kapitän auf Frosttrawlern, als Chef des Landesverbandes und des Deutschen Verbandes der Kutter- und Küstenfischer, als Vizepräsident des Deutschen Fischereiverbandes und jetzt als deseen Ehrenmitglied. Zudem sitzt er noch in etlichen Kommissionen und Ausschüssen. Am Sonntag wird Kahlfuss 80 Jahre alt - und zieht sich langsam aus seinen Ämtern zurück.

"Eigentlich", sagt er, "wollte ich zum Abschied noch einen Erfolg haben." Stattdessen musste er den Landesfischereiverband auflösen, der als Dachverband die Interessen der Binnenfischer, Ostseefischer und Angler gegenüber der Politik vertrat. Der Niedergang der Fischerei in den vergangenen 30 Jahren hat ihn um einige Früchte seiner Arbeit gebracht. "Die Anzahl der Fischer ist auf einem historischen Tiefstand", stellt er nüchtern fest.

Dass er so lange als Verbandsfunktionär arbeiten würde, hatte sich Kahlfuss in der Jugend nicht träumen lassen. Für den aus Breslau stammenden Jungen, der 1944 mit Mutter, Schwester und Großmutter ins Brandenburgische kam, stand nur eines fest: Er wolle zur See fahren. "Es gab für mich nichts anderes", macht er deutlich. Wie er darauf kam, wo er doch inzwischen in Thüringen lebte und seine Klassenkameraden 1954 eher nach Eisenach in den Autobau gingen? "Ich habe viel gelesen, vor allem Seefahrer-Geschichten."

Mit 14 Jahren begann Kahlfuss in Sassnitz die Ausbildung zum Matrosen der Hochseefischerei. Nach drei Jahren wechselte er auf die Seefahrtsschule Wustrow, 1962 machte er sein Kapitänspatent B6. Er fuhr als Erster Nautischer Offizier und als Kapitän auf Frosttrawlern der DDR-Hochseefischerei. Bis eines Tages aufgrund der Diagnose Diabetes Schluss war.

Kahlfuss wechselte in die Fangleitung des Sassnitzer Fischereibetriebes, der zeitweilig 1200 Mitarbeiter hatte. Dort erlebte er 1989 die politische Wende. Als Genossenschaftsmitglieder 1990 einen Berufs- und Interessenverband der Kutterfischer gründeten, bewarb er sich. Ein Jahr später wurde er dessen Geschäftsführer und blieb es 25 Jahre lang. Noch heute ist er Vorstandsmitglied im Verband.

Seine Jobs waren von Auseinandersetzungen geprägt - mit Politikern, Wissenschaftlern, Naturschützern. Von 1450 Fischern zur Wendezeit in MV arbeiten heute noch etwa 200 in ihrem Beruf. Ein Grund sind die abnehmenden Fischbestände in der Ostsee. Die EU reduziert daher die Fangquoten.

Kahlfuss lobt, dass sein Verband in die Schaffung der Fischereigesetzgebung einbezogen wurde und auch Wissenschaftler die Zusammenarbeit suchten. Landesagrarminister Till Backhaus (SPD) erwidert das Lob: Kahlfuss habe sich stets sehr engagiert für die Belange der Kutter- und Küstenfischer eingesetzt. "Vor allem während des gravierenden Strukturwandels in den 1990er-Jahren und in dem Spannungsfeld zum Fischbestandsschutz, Naturschutz und der Fischerei war er stets ein kompetenter, kritischer und wichtiger Berater der Landesregierung", sagt Backhaus.

Zu den Problemen, die den Fischern das Leben schwer machen und die Kahlfuss gerne gelöst hätte, gehören die Kormorane: 15 000 Paare dieser geschützten Vögel brüten in MV. Mit Jungtieren lebten jeden Sommer 90 000 Kormorane im Land, rechnet er vor, 80 Prozent davon an der Küste. Sie würden 45 Tonnen Fisch am Tag fressen. "Mehr als die Fangquote", kommentiert er.

Nicht die Fischer sind nach seiner Meinung Schuld an schwindenden Fischbeständen, sondern Umweltverschmutzung und Klimawandel, der zum Sinken des Sauerstoffgehaltes in der tiefen Ostsee führt und das Nahrungsangebot für die Fische verringert. Dazu der übertriebene Kormoranschutz und nun noch die Kegelrobben. Ihre Anzahl sei in der Ostsee explodiert, sagt Kahlfuss. Sie fressen Fisch und zerstören Netze. "Sie sind dreimal schlimmer als der Kormoran", schimpft er.

Von der Zukunft erwartet Kahlfuss: "In zehn Jahren wird es wohl noch Berufsfischer geben, aber keinen Berufsstand mehr." Wenn eine Abwrackprämie für Fischkutter komme, was natürlich jedem einzelnen Fischer helfen würde, gehe es noch schneller. "Dann ist die deutsche Fischerei in kurzer Zeit Geschichte", meint er.

SVZ, von Birgit Sander, dpa, Schwerin, den 8.9.2020